Blow-Up

Michelangelo Antonioni hat in seinem inzwischen als klassisch geltenden Film Blow Up (1966) auf subtile Weise die fotografisch wie malerisch relevante Problematik des visuellen ‘Weltbilds’ dargestellt, eine Thematik, die Brian de Palma aufgegriffen und in seinem Film Blow Out (1981) auf die akustische ‘Weltanhörung’ (akroasis) übertragen hat. Die fotografische Aufnahme oder die Tonaufnahme stehen in einem unmittelbareren Kontakt zur Realität als das Auge oder das Ohr eines Anwesenden, der manches übersieht oder überhört. Erst im fotografischen Bild und im aufgezeichneten Geräusch wird Vergangenes vergegenwärtigt, und die Gegenwart selbst wird entwertet, weil sie jene, die an ihr beteiligt und in ihr befangen sind, überfordert. Ohne den zwischengeschalteten Apparat nimmt man nicht wahr, was geschieht, und was der Apparat aufnimmt, wird zu einer zeitversetzten Quelle von Erfahrung. Eine vermittelte Wahrnehmung, post festum, die der Unmittelbarkeit der aktuellen Situation an Evidenz gleichkommt, während sie beliebig wiederholt oder wiedergeholt wird. Die Fotografie war sich von Anfang an im Klaren darüber, wie weit die Vergangenheit in die Gegenwart verlegt wird, wenn sie fotografisch aufbewahrt und aufgebläht wird. Jene Pointe des Blow-Up nahm Henry Fox Talbot (1844) vorweg:

»Wenn man gut durchgearbeitete Fotografien studieren will, empfiehlt sich der Gebrauch einer großen Lupe, […]. Diese vergrößert die dargestellten Objekte um das zwei- bis dreifache und enthüllt eine Fülle winziger Details, die man vorher nicht realisiert hat. Es geschieht überdies häufig, daß der Fotograf selbst bei einer solchen späteren Überprüfung entdeckt, daß er viele Dinge aufgezeichnet hat, die ihm zur Zeit der Aufnahme entgangen waren – und das macht zu Teilen den Charme der Fotografie aus. Manchmal findet man Inschriften und Daten auf Gebäuden oder ganz unbedeutende Anschläge; manchmal erkennt man das entfernte Zifferblatt einer Uhr und auf ihr – unbewußt festgehalten – die Uhrzeit, zu der die Aufnahme gemacht wurde.«

»It frequently happens, moreover – and this is one of the charms of photography – that the operator himself discovers on examination, perhaps long afterwards, that he has depicted many things he had no notion of at the time. Sometimes inscriptions and dates are found upon the buildings, or printed placards most irrelevant, are discovered upon their walls: sometimes a distant dialplate is seen, and upon it – unconsciously recorded – the hour of the day at which the view was taken.«

(Copyright by Peter Gold)

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