Legendäre Schwarzweiss-Fotografie

Unter dem ‚summarischen’ Titel »Ansel Adams, 400 Photographs« ist ein aufwendiger Bildband erschienen, der mit den wichtigsten Fotografien eines der wichtigsten Fotografen aufwartet. Von Andrea A. Stillman herausgegeben, macht sich dieser empfehlenswerte Band zur Aufgabe, die chronologische Entwicklung stilistisch und thematisch vor Augen zu führen, die bei Ansel Adams von den Anfängen im Jahr 1916 bis zum Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts reicht.

Zur Vergangenheit gehören sie jedoch nicht, die legendären Fotografien der legendären Figur in der Fotografiegeschichte, die uns allen zeigten, wie Landschaft aussieht und was Landschaft ausmacht. Der Fotograf selbst hat bis zu seinem Tod im Jahr 1984 fast dreißig Bücher mit seinen schwarzweißen Fotografien herausgegeben, und außerdem noch zehn Bücher zur fotografischen Technik verfaßt. Bei Adams sind Technik und Ästhetik eng verschränkt, wie man weiß. An das weitverbreitete Zonensystem, an dem Adams’ Name ohnehin unsichtbar haftet, braucht niemand erinnert zu werden, der sich mit analoger Fotografie auskennt. Die unverkennbare Abstufung zwischen hellsten und dunkelsten Grauwerten, die den vollen Spielraum zwischen reinem Schwarz und reinem Weiß ausschöpft, bildet das ästhetische Kennzeichen von elaborierter Schwarzweißfotografie schlechthin, an deren Dramaturgie sich seit jener Zeit wenig geändert hat. Die Bilder sprechen für sich. Mit der Tiefenschärfe oder mit Bewegungsunschärfe wird bei Adams übrigens nicht experimentiert. Maßgeblich ist sozusagen die Einstellung von »f/64«, der Gruppe wie der Blende.

Der begleitende Text zu Adams’ Bildern, die in seltener Kontinuität vor Augen geführt werden, unterstreicht die ästhetischen Absichten und technischen Fähigkeiten des Fotografen, der sich bei der Arbeit ab und zu über die Schulter schauen läßt. Nicht nur seine Fotografien sind inzwischen Ikonen, sondern als Fotograf ist er selbst zur Ikone geworden. Im Text wird Adams’ Image nicht angetastet. Auch magische Anklänge werden nicht vermieden, weil keine bloße Technik und keine klare Ästhetik mit der verklärten Magie fertig wird, die anscheinend immer wieder durchschimmert. Ent-Täuschung wird nicht geschätzt, und auch nicht mit Bindestrich geschrieben, und so bleibt das Gegenteil gefragt. Es macht vielleicht nichts, wenn die Legende um Ansel Adams weitergesponnen wird, schließlich weiß man als Fotograf nur zu gut, was machbar ist und was nicht, ohne technische Grenzen tendenziell zu verkennen. Es macht vielleicht auch nichts, wenn fotografische Laien sich jenseits solcher Grenzen wähnen, während sie geheimnisumwittertes Können bewundern, das hinter bewunderungswürdigen Bildern steckt. Die Technik tritt öffentlich gern hinter die Magie zurück, seit sie alle Magie weit hinter sich gelassen hat.

»Adams had a rare gift: he was able to transform geographic reality into transcendent emotional experience. How did he accomplish this? Through hard work and experience, he developed a technical mastery that allowed him to photograph with facility and confidence. He could make a photograph in the rain or even in a snowstorm, and he could photograph a mountain thirty miles distant or a stump white with frost at his feet. In a pinch, he could even photograph a moonrise without a light meter, knowing only the candles per square foot of the moon. Moreover, his skills in the darkroom were unsurpassed, and he could make a gorgeous print from any negative, even a negative with problems.« [Andrea A. Stillman in: Ansel Adams, 400 Photographs, p.7f]

Im selben Buch ist abgedruckt, wie es sich bei Ansel Adams selbst anhört:

»With the camera assembled and the image composed and focused, I could not find my Weston exposure meter! Behind me the sun was about to disappear behind the clouds, and I was desperate. I suddenly recalled that the luminance of the moon was 250 candles per square foot. I placed this value on Zone VII of the exposure scale; with the Wratten G (No.5) deep yellow filter, the exposure was one second at f/32. I had no accurate reading of the shadow foreground values. After the first exposure I quickly reversed the 8 x 10 film holder to make a duplicate negative … but as I pulled out the slide the sunlight left the crosses and the magical moment was gone forever.« [zit. nach: Ansel Adams, 400 Photographs, p.420f]

Die 1941 entstandene Aufnahme ist, wie kaum ein anderes Bild, seitdem zum Inbegriff von Schwarzweißfotografie geworden, und wird bei Versteigerungen entsprechend gehandelt. Angeblich sind an die tausend Abzüge der Aufnahme gemacht worden. Nebenbei bemerkt, ist die Angabe des Filters falsch wiedergegeben, denn gemeint ist ein Wratten-Filter No.15 und nicht 5. Ausgerechnet dieses Bild war eines, dessen Belichtung ohne Adams’ sorgfältige Art des Messens zur Kontrastbestimmung zustande kam, wie sie für sein Zonensystem charakteristisch ist. Adams war stets darauf aus, den Zufall beim Belichten auszuschalten. Vom Zufall nicht im Stich gelassen zu werden, wenn es drauf ankommt, ist ein eigenartiger Wink. Als wäre eine Fotografie etwas, das einem, trotz allem, bloß zufällt. Wo sonst liegt das magische Moment des technischen Apparats? In seinem berühmten technisch-theoretischen Buch »The Negative« kommt Adams mehrfach auf die näheren Umstände der Entstehung jener berühmten Aufnahme zu sprechen, die ebenso typisch wie untypisch für ihn ist:

»Having emphasized the importance of careful exposure, I must also state that there are occasions when time pressure or equipment failure may require estimating exposure if any image is to be made a all. A case in point is my Moonrise, Hernandez, N.M., where I had to make an educated guess using the Exposure Formula, since I could not find my exposure meter. Knowing that the moon is usually about 250 c/ft² at this distance from the horizon, I used this value to make a quick calculation, and then made the exposure. As I reversed the film holder to make a second negative, I saw that the light had faded from the crosses! I am reminded of Pasteur’s comment that “chance favours the prepared mind”.« [Ansel Adams, The Negative, p.39]

Welche überschlägige Kalkulation Adams anstellte, läßt sich indes nicht nachvollziehen, wenn man den Lichtwert (LW oder EV) 9 mit 2800 lux oder 260 footcandle veranschlagt und den Filterfaktor 3 für den Gelbfilter berücksichtigt:

»I remembered that the luminance of the moon at that position was about 250 c/ft²; placing this luminance on Zone VII, I could calculate that 60 c/ft² would fall on Zone V. With a film of ASA 64, the exposure would be 1/60 second at f/8. Allowing a 3x exposure for the filter, the basic exposure was 1/20 second at f/8, or about 1 second at f/32, the exposure given. I had no idea what the foreground values were; but knowing they were quite low, I indicated water-bath development. The distant clouds were at least twice as luminous as the moon itself.« [Ansel Adams, The Negative, p.127]

Zur Bildmagie kommt noch die Zahlenmagie. Rechenfehler heben sich auf. Der Zufall hat dem gewieften Fotografen trotz allem einen Streich gespielt, wenn Adams wirklich so gerechnet hat, wie es angegeben worden ist. Take it easy.

»You don’t take a photograph, you make it«, sagt Ansel Adams. Im Gegenteil, würde ich sagen. Irrtum inbegriffen.

(Copyright by Peter Gold)