Vorlesung: »Bilder, Zeichen, Wirklichkeit«

Meine Vorlesung zum Thema »Bilder, Zeichen, Wirklichkeit« im Sommersemester 2008 findet ab 31.03.08 montags von 18:00-20:00 Uhr am Campus Westend im Hörsaal IG 411 der Universität Frankfurt statt.

Bilder, Zeichen, Wirklichkeit

Gravierende Unterschiede, wie sie zwischen diversen piktorialen und symbolischen Formen der Repräsentation bestehen, sind zwar kaum zu übersehen, doch theoretisch nicht leicht zu fassen. Weder sind alle Bilder Zeichen, noch alle Zeichen Bilder. Eine These, deren erster Teil sich nicht von selbst versteht, sondern verbreiteten Auffassungen zuwiderläuft, während ihr letzter Teil fraglos einleuchtet und nicht zu bestreiten ist. Unumstritten ist, welch auffällige Übergänge und weitgehende Überschneidungen es zwischen beiden Sphären gibt, wo sich deren konzeptuelle Trennung zusehends verwischt. Trotzdem sind Bilder nicht von sich aus als Zeichen zu betrachten oder ohne weiteres als Zeichen zu deuten. Sonst, so lautet eine weitere These, die ich vertrete, würde die Wirklichkeit in ihrer sichtbaren Erscheinung selbst zum bloßen Zeichen, das als solches für etwas anderes und nicht für sich selbst steht. [1]

Zur Thematik von Repräsentation, Symbolisierung, Ähnlichkeit und Arbitrarität, analoger oder digitaler Darstellung, syntaktischer und semantischer Dichte von Abbildungen oder Zeichensystemen, sowie zur Problematik von Realismus, Abstraktion, Virtualität etc. gehört es, sowohl in Bezug auf Bilder als auch in Bezug auf Zeichen zu erörtern, welche Charakteristika und welche Differenzierungen als Kriterien in Frage kommen, um die Sphären von Bildern und Zeichen konzeptuell auseinanderzuhalten und zugleich die Verwendung von Bildern als Zeichen und das Auftreten von Zeichen in Bildern zuzugestehen.

[1] Es ist eine entsprechende Vorlesung unter dem Titel »Bilder, Zeichen, Wirklichkeit« geplant und angekündigt.

(Copyright by Peter Gold)

Lektüre des Buchs der Natur

Die Metaphorik des ‘Buchs der Natur’, das gemäß Galilei in mathematischen Lettern verfaßt sei, die man zu lesen lernen müsse, legt nahe, exakte Naturwissenschaft(en) so aufzufassen, als sei es nicht ihre Aufgabe, etwas zu entdecken oder aufzudecken oder zu erklären, sondern etwas zu entziffern. Nicht weil es unleserlich wäre, sondern weil es verschlüsselt zu sein scheint. In Zeichen, die als Ziffern in zweifachem Sinne gelten, zum einen als numerisch, zum andern als codiert. Phänomene der Natur werden wie Text(e) gelesen, lesbar allerdings nicht ohne Kenntnis des Schlüssels. Natur selbst wird zur Chiffre, zum chiffrierten Text, den es zu dechiffrieren gilt, bis das gesamte Buch der Natur im Klartext vorliegt.

Die Natur wird selbst zu so etwas wie Naturgeschichte. Sie teilt sich mit. Die Sprache und die Sprachlichkeit bedingen die Sache und die Sachlichkeit. Was uns die Natur erzählt, wird von uns nacherzählt, und wenn die Geschichte insgesamt Sinn macht, nicht länger sinnlos oder unsinnig erscheint, scheint es, als wäre die Sprache der Natur verständlich geworden. Auf diese Weise klingt noch in der sich längst abspaltenden Physik ein Abgesang nach, der an scholastische Religiosität erinnert, die sich ganz der Deutung von Schriften und Auslegung von Büchern widmete. Als Buch verkündet Natur von selbst die Lehre, auf die es ankommt, so daß bei der Lektüre die Lektionen zu lernen sind, falls man den Text richtig zu interpretieren weiß. Letzteres bleibt Eingeweihten vorbehalten, die den Code kennen, wie vormals nicht (ein-) geweiht war, wem keine Offenbarung zuteil wurde.

Im Umgang mit Zeichensystemen geübt, mit Zeichenverweisung vertraut, nahm die Physik zusehends Abschied vom Bild der Natur, wie es sich in der Metaphysik der Scholastik darstellte, doch in der Metapher vom Buch der Natur steckte immer noch ein Andenken an das Denken, das man hinter sich ließ.

In einer Abhandlung über Analogie(n) in der Natur schreibt Maxwell: »Vielleicht ist das ‘Buch’ der Natur, wie man es genannt hat, aus geordneten Seiten aufgebaut; wenn dem so ist, dann erklären ohne Frage die einleitenden Teile das, was folgt, und die Methoden, die in den ersten Kapiteln dargestellt werden, können übernommen und als Erklärungen der nachfolgenden, fortgeschrittenen Teile verwendet werden; wenn es aber kein ‘Buch’ ist, sondern eine Zeitschrift, dann ist nichts dümmer als anzunehmen, ein Teil könne Licht auf den anderen werfen.« [Maxwell, “Are there Real Analogies in Nature?”, 1856]

(Copyright by Peter Gold)