online/offline

Meine Vorlesung zum Thema “Formale Logik im Rahmen des Jeffrey/Boolos-Kalküls” im Wintersemester 2021/2022 findet durchgängig online statt und wird während dieses Semesters nicht in den offline-Modus wechseln. Die entsprechenden Zugangsdaten sind in OLAT (Goethe-Universität) einsehbar. Meine Physik-Vorlesung findet, nach drei Semestern online, im Wintersemester 2021/2022 wieder offline im Physik-Hörsaal (Frankfurt University of Applied Sciences) statt. Sollte sich daran etwas ändern, wird es im begleitenden Moodle-Kurs kurzfristig mitgeteilt.

Kolloquium zur Theoretischen Philosophie

Mein Kolloquium zur Theoretischen Philosophie findet im Sommersemester 2013 wöchentlich am Mittwoch um 18:00 – 21:00 Uhr im Raum IG 3.401 am Campus Westend der Universität Frankfurt statt. Es wird im anschließenden Wintersemester fortgesetzt. Während der Semesterferien ist eine Unterbrechung nach dem 15. Juli bis zum Wiederbeginn am 18. September vorgesehen.

Blockseminar zur Logik

Mein Blockseminar zur Logik im Institut für Philosophie der Universität Frankfurt findet von Montag bis Freitag ganztägig ab 09:00 Uhr, beginnend am 13.02.12, am Campus Westend statt. Die abschließende Klausur ist für den darauffolgenden Montag 20.02.12 angesetzt. Zur Teilnahme am Seminar ist keine Voranmeldung nötig. Der Raum wird kurzfristig im Aushang des Instituts bekanntgegeben.

Literatur: Richard C. Jeffrey (& George Boolos),  Formal Logic. Its Scope and Limits, 3rd Edition, New York, Cambridge 1990/2004, oder 4th Edition (by John P. Burgess) 2006.

Das physikalische Raum-Zeit-Kontinuum

Seit Einsteins Relativitätstheorie(n), konzeptuell vorbereitet und weiterentwickelt von Riemann, Lorentz, Poincaré, Minkowski, Cartan, Wheeler und anderen, bis hin zu Penrose und Hawking, ist der Raum nicht mehr von der Zeit trennbar wie in der klassischen Mechanik Newtons. Was mit ‚Raum’ im physikalischen Sinne gemeint ist, unterscheidet sich vom anschaulichen Euklidischen Raum der Geometrie durch die Zeitkoordinate als weitere Dimension, die mit den drei anderen Koordinaten ganz anders verknüpft ist, als es eine auf n Dimensionen verallgemeinerbare Euklidische Metrik nahezulegen scheint. Die (geo-) metrischen Verhältnisse des vierdimensionalen Raums der Physik sind nicht-euklidisch. Die Metrik gibt wieder, ob und wie der Raum gekrümmt ist, zudem spiegelt sich in ihr, daß die zeitliche Dimension nicht mit den anderen, räumlichen zu verwechseln ist, selbst wenn keine Krümmung auftritt. Der physikalische Raum stellt eine vierdimensionale Mannigfaltigkeit dar,[1] besser ‚Raum-Zeit-Kontinuum’ genannt, um anhand der topologischen und metrischen Struktur die Koordination von Ereignissen zu erfassen und die Interaktion von Materie wiederzugeben. Ohne die Zeit als weitere Dimension in die Geometrie des Raums einzubeziehen, würden formulierte Gesetzmäßigkeiten nicht unabhängig vom gewählten Bezugssystem gelten, sondern beim Wechsel zwischen Koordinatensystemen ihre Form ändern,[2] weshalb sich Raum und Zeit nicht entkoppeln lassen. Außerdem ist der geometrische Raum nicht ohne weiteres von der physikalischen Dynamik entkoppelbar. Dessen Krümmung wirkt sich nämlich auf die Bewegung von Materie aus, während deren Umverteilung wiederum die Krümmung des Raums beeinflußt.

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Geometrie greift in die Mechanik ein, bleibt nicht unbeteiligt im Hintergrund des Geschehens, sondern ist selbst ins Geschehen verwickelt und geht nicht unangetastet daraus hervor.[3] Raum wird zur aktiven Vermittlung von Einflüssen gebraucht, nicht nur als passives Behältnis von Ereignissen. Wäre es so, daß sich geometrische Strukturen gegenüber physikalischen Phänomenen neutral verhielten und umgekehrt, gäbe es keine wechselseitige Abhängigkeit zwischen beiden, doch die Relativitätstheorie ist ganz darauf abgestellt, daß die gegenteilige Annahme zutrifft. Insofern gehört die Geometrie des Raums zur Thematik der Physik.

Was Raum eigentlich ist, und in welcher Beziehung dessen Geometrie zur Mechanik steht, war alles andere als unumstritten, nachdem Leibniz, Huygens oder Berkeley, um nur einige zu nennen, sich gegen die von Newton vertretene Auffassung wandten, daß es so etwas wie einen absoluten Raum und eine absolute Zeit neben den relativen räumlichen Abständen und zeitlichen Abschnitten gebe, deren numerische Werte sich bei Messungen ergeben. In Newtons epochalem Werk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (1687) heißt es:

“Absolute space, of its own nature without reference to anything external, always remains homogeneous and immovable. Relative space is any movable measure or dimension of this absolute space; such a measure or dimension is determined by our senses from the situation of the space with respect to bodies and is popularly used for immovable space, […]. Absolute space and relative space are the same in species and in magnitude, but they do not always remain the same numerically.”[4]

Der Präsupposition des absoluten Raums korrespondiert die Charakterisierung von absoluter Zeit:

“Absolute, true, and mathematical time, in and of itself and of its own nature, without reference to anything external, flows uniformly and by another name is called duration. Relative, apparent, and common time is any sensible and external measure (precise or imprecise) of duration by means of motion; […]”[5]

Um antizipierte Einwände gegen die Annahme des absoluten Raums zu widerlegen, führt Newton ein in Gedanken nachvollziehbares Experiment an, bei dem ein mit Wasser gefüllter Eimer, welcher an einem Seil aufgehängt ist, in Drehung versetzt wird, so daß sich die ebene Wasseroberfläche wölbt. Träte die Wölbung wegen der Relativbewegung zwischen Wasser und Eimer ein, nicht wegen der Drehbewegung im absoluten Raum, würde sich die gewölbte Oberfläche wieder ebnen, wenn sich das Gefäß und dessen flüssiger Inhalt gemeinsam mit derselben Geschwindigkeit um dieselbe Achse drehen. Erfahrungsgemäß ist das nicht der Fall, weshalb die auftretende Wölbung keine relative Bewegung zwischen Eimer und Wasser anzeigt, sondern Newton zufolge auf eine absolute Bewegung im Raum verweist. Anders als die Translation führt die Rotation im absoluten Raum zu physikalischen Auswirkungen, anhand derer sie nachweisbar wird. Insofern sei die Existenz des absoluten Raums kaum zu leugnen, ohne sich gegen die Physik insgesamt zu wenden, wie es schien. Entgegen Newtons Ansicht beabsichtigte Leibniz, die Physik im Relativen statt im Absoluten zu fundieren, scheiterte jedoch an jener Problematik, welche Newton anhand der Rotation gedanklich aufwarf. Auch Huygens war involviert.[6] Mach wird später ebenfalls darauf aus sein, außer der Translation auch die Rotation zu relativieren, wozu er das Gedankenexperiment mit dem wassergefüllten Eimer abwandelt und dessen Umgebung einbezieht. Man stelle sich vor, um den unbewegten Eimer samt Inhalt drehe sich die gesamte ‚restliche’ Materie im Universum, wobei das Seil, an dem der Eimer hängt, nach wie vor die Drehachse bildet. Mach identifiziert beide geschilderten Situationen, egal ob der Wassereimer rotiert oder stattdessen der gesamte ‚Fixsternhimmel’, wie er sich ausdrückt, weshalb es keinerlei empirisch feststellbare oder experimentell meßbare Unterschiede gäbe und die Unterscheidung illusorisch sei.[7] Was spräche dagegen, daß sich wiederum die gleiche Wölbung der Wasseroberfläche einstellen würde?

„Der Versuch Newtons mit dem rotierenden Wassergefäß lehrt nur, daß die Relativdrehung des Wassers gegen die Gefäßwände keine merklichen Zentrifugal­kräfte weckt, daß dieselben aber durch die Relativdrehung gegen die Masse der Erde und die übrigen Himmelskörper geweckt werden. Niemand kann sagen, wie der Versuch quantitativ und qualitativ verlaufen würde, wenn die Gefäßwände immer dicker und massiger, zuletzt mehrere Meilen dick würden. Es liegt nur der eine Versuch vor, und wir haben denselben mit den übrigen uns bekannten Tatsachen, nicht aber mit unsern willkürlichen Dichtungen in Einklang zu bringen.“[8]

Von absoluter Bewegung abzusehen und Bewegung als relativ zu verstehen, statt Newtons „metaphysischen Hang fürs Absolute“[9] zu teilen, entspräche wissenschaftlichem Experimentieren und Messen weit besser[10] als die „Begriffsungetüme des absoluten Raumes und der absoluten Zeit“[11]; ein Gedankengang, den sich Einstein zu eigen machte[12] und als ‚Machsches Prinzip’ in der Relativitätstheorie zur Geltung bringen wollte,[13] was sich letztlich nicht umsetzen ließ.[14] Übrig geblieben sind lediglich gewisse ‚Machsche Effekte’ in der Relativitätstheorie, wie man inzwischen abschwächend sagt,[15] etwa der von Lense und Thirring aufgewiesene und nach ihnen benannte Effekt, der zu den gravitomagnetischen Phänomenen zählt. Es macht sich nämlich bemerkbar, ob die Gravitationswirkung von bewegter, beispielsweise rotierender Materie ausgeht, oder ob sie von unbewegter Materie ausgeübt wird, ähnlich wie bewegte elektrische Ladungen ein Magnetfeld erzeugen, das von unbewegten Ladungen nicht aufgebaut wird.[16] Insofern erinnert dies an das rotierende Universum bei Mach, das sich anders auswirkt als ein nicht-rotierendes.

“It has long been customary to refer to gravimagnetic phenomena […] in terms of ‘frame dragging’ or ‘space dragging’. This dates back to Einstein (‘Mitführung’) and his early fascination with Mach’s principle, according to which the ‘rotating’ universe ‘drags’ the inertial frame relative to the non-rotating earth. But that metaphor can be very misleading. […] Our recommendation is to use the vague concept of dragging at most in a tentative way, and for definite results to rely instead of the solidly established Maxwellian analogy.”[17]

Um metaphysische Spekulationen aus der exakten Wissenschaft auszumerzen, wie es nicht nur Machs erklärtes Anliegen war, sondern methodologische Resonanz im Rahmen der Physik und der Philosophie fand,[18] stellte sich unter anderem die Frage, welche Entitäten oder Konstrukte fälschlicherweise als absolut angesehen wurden, während ihre operationale Funktion in experimentellen Meßprozessen eher darauf schließen ließ, daß es sich um rein relativ zu verstehende Konzepte handelte.

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Ob sich die zeitliche Dimension von den drei räumlichen Dimensionen abspalten läßt, wie es die klassische Physik fälschlicherweise unterstellte, oder ob räumliche Koordinaten mit zeitlichen Koordinaten zu verrechnen sind, wenn ein Wechsel des Bezugssystems erfolgt, wie es die relativistische Physik entdeckte, ist für die Raumkonzeption essentiell, und die tradierte Auffassung erwies sich als inadäquat. Relativ zueinander bewegte Koordinatensysteme liefern nicht die gleiche chronologische Korrelation von Ereignissen; bei bestimmten Ereignissen kehrt sich deren zeitliche Reihenfolge um, die Gleichzeitigkeit von Ereignissen bleibt nicht gewahrt, es sei denn, sie finden am selben Ort statt, und trotz allem wird der Kausalkonnex zwischen Ereignissen nicht angetastet, wenn das System gewechselt wird.

Für die Anwendbarkeit der Newtonschen Mechanik war theoretisch wie meßtechnisch ausschlaggebend, daß es Inertialsysteme gab, sonst würde das Galileische Trägheitsgesetz nirgends gelten, das als erstes Newtonsches Axiom fungiert und die kräftefreie Trägheitsbewegung mit gleichförmiger Geschwindigkeit als diejenige Bewegung eines jeden Körpers ausweist, welche er von allein beibehält, wenn keinerlei Einfluß darauf ausgeübt wird oder sich sämtliche äußeren Einwirkungen gegenseitig aufheben. Aber unter den Inertialsystemen, in denen neben dem ersten auch das zweite und dritte Newtonsche Axiom ohne weiteres anwendbar waren, um ohne Scheinkräfte auszukommen, die als illusionäre Trägheitskräfte neben den eingeprägten Kräften wirken, brauchte keines der Inertialsysteme als absolut ruhend ausgezeichnet zu werden. Für die Messung von Dauer, Distanz, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Masse, Impuls, Kraft, Arbeit, Energie, Winkelgeschwindigkeit, Drehimpuls, Drehmoment etc. war es ausreichend, wenn irgendein Inertialsystem vorlag, ohne zu wissen, ob es sich in absoluter Ruhe befindet oder nicht. Weder absolute Ortsangaben noch absolute Zeitpunkte würden in die Messungen eingehen, weil es nur auf Ortsdifferenzen und Zeitintervalle ankam, so daß die Newtonsche Mechanik auch ohne Referenzsystem auskam, welches im absoluten Raum verankert wäre und auch eine absolute Zeitbestimmung gestatten würde. Zwischen Inertialsystemen, die sich als solche relativ zueinander mit gleichförmiger Geschwindigkeit bewegen, läßt sich hinsichtlich physikalischer Gesetzmäßigkeiten nicht unterscheiden, denn es treten keine beobachtbaren Phänomene oder meßbare Effekte auf, die darauf schließen ließen, welches sich davon in Ruhe befindet und welches nicht, so daß es physikalisch irrelevant ist, zwischen absoluter Ruhe und gleichförmiger Bewegung zu unterscheiden. Weshalb es nahelag, jede Bezugnahme auf Absolutes in der Physik zu tilgen, dessen Beobachtbarkeit prinzipiell nicht vorgesehen oder dessen Meßbarkeit experimentell nicht nötig war. Ob man sich auf ‚Denkökonomie’ à la Mach berief oder ‚Ockhams Rasiermesser’ ansetzte, es wurde in der Physik eine Theorie angestrebt, die operational auf Experimente ausgelegt ist, nicht aber auf spekulative Metaphysik angewiesen ist.

Relationen statt Substanzen, Messungen statt Setzungen, Operationen statt Hypostasierungen waren gefragt, um den empirischen Gehalt der Physik ins theoretische Gerüst einzubinden, ohne mehr oder anderes zu sagen als sich methodisch überprüfen ließ. Die Reflexion auf Bedingungen der Möglichkeit von wissenschaftlicher Erkenntnis, um es mit Kant auszudrücken, begleitet die Physik in ihrer Abwendung von der klassischen Fassung, die sie als Newtonsche Mechanik oder als Maxwellsche Elektrodynamik angenommen hatte. Relativität wird methodologisch zum Thema par excellence. Ungefähr zur selben Zeit als Poincaré den Relativismus propagierte, konzipierte Einstein die Relativitätstheorie, welche Poincaré teilweise vorwegnahm. Das Credo lautete:

“[…] the aim of science is not things themselves, as the dogmatists in their simplicity imagine, but the relations between things; outside those relations there is no reality knowable.

Such is the conclusion to which we are led; but to reach that conclusion we must pass in review the series of sciences from arithmetic and geometry to mechanics and experimental physics.”[19]

Im Zitat aus Poincarés programmatischer Schrift über Wissenschaft und Hypothese (1902) wird Gegenständliches gegen dessen Beziehungen ausgespielt, so daß Dinge als solche gegenüber ihrer Konstellation und ihren Relationen entwertet werden oder zumindest in den Hintergrund treten. Was nicht relational interpretierbar oder relativ zu anderem explizierbar ist, wird abgetan. Was absolut klingt, wird als unwissenschaftlich verdächtigt. Wissenschaftlich erkennbare Realität wird an Relationalität geknüpft. Meßbarkeit wird zum Maßstab, ansonsten sind Ideen nutzlos.[20] Inwieweit sich der eingenommene Standpunkt selbst ‚relativiert’, indem er ‚absolute’ Geltung beansprucht, bleibe einmal dahingestellt. Strikter Relativismus und strikter Operationalismus wurden in der nachfolgenden Entwicklung der Physik ohnehin übergangen. Doch zurück zur Mechanik.

Gegen die tradierte Auffassung von Raum und Zeit führt Poincaré, fast als antworte er nachträglich auf Newtons Statements, folgende Punkte an:

“1. There is no absolute space, and we only conceive of relative motion; and yet in most cases mechanical facts are enunciated as if there is an absolute space to which they can be referred.

2. There is no absolute time. When we say that two periods are equal, the statement has no meaning, and can only acquire a meaning by a convention.

3. Not only have we no direct intuition of the equality of two periods, but we have not even direct intuition of the simultaneity of two events occurring in two different places.”[21]

Und zuletzt wird der Mechanik die Wahl der Geometrie überlassen, als mehr oder weniger konventioneller Akt:

“4. Finally, is not our Euclidean geometry in itself only a kind of convention of language? Mechanical facts might be enunciated with reference to a non-Euclidean space which would be less convenient but quite as legitimate as our ordinary space; the enunciation would become more complicated, but it still would be possible.

Thus, absolute space, absolute time, and even geometry are not conditions which are imposed on mechanics.”[22]

Sich eine bequeme Geometrie für die Physik auszusuchen, stellt nichts weiter als eine Konvention dar, zumal sich laut Poincaré alle Geometrien, ob Euklidisch oder nicht, auf ein und denselben Raum beziehen; weshalb Poincarés Haltung als ‚Konventionalismus’ bekannt geworden ist.[23] Welch ‚unkonventionelle’ Geometrie des Raums schließlich gewählt wurde, als die Relativitätstheorie auf den Plan trat,[24] war denn doch ausgesprochen gewöhnungsbedürftig. Nicht unbequem, doch ungewohnt war es, die Zeit nicht länger vom Raum zu trennen, sondern beides mittels einer Metrik zu verknüpfen, die alles andere als naheliegend erschien. Besiegelt wurde die Untrennbarkeit durch die Relativität der Simultaneität. Gleichzeitigkeit als absolut zu verstehen heißt, sie mißzuverstehen. Wer sich relativ zueinander bewegt, wird nicht die gleichen Ereignisse für gleichzeitig halten. Raum wird zu etwas ganz anderem, wenn die Zeit als Dimension inbegriffen ist.

„Raum und Zeit waren in der vorrelativistischen Physik getrennte Wesenheiten. Zeitliche Urteile galten unabhängig von der Wahl des Bezugsraumes. […] Die Auffassung des Geschehens war immer die eines vierdimensionalen Kontinuums; aber diese Erkenntnis wurde durch den absoluten Charakter der Zeit von der vorrelativistischen Physik verdunkelt. Mit dem Verlassen der Hypothese vom absoluten Charakter der Zeit, insbesondere der Gleichzeitigkeit, drängt sich jedoch die Erkenntnis von der Vierdimensionalität des Zeit-Räumlichen unmittelbar auf. Nicht der Raumpunkt, in dem etwas geschieht, nicht der Zeitpunkt, in dem etwas geschieht, hat physikalische Realität, sondern nur das Ereignis selbst. Zwischen zwei Ereignissen gibt es keine absolute (vom Bezugsraum unabhängige) räumliche und keine absolute zeitliche Beziehung, wohl aber eine absolute (von der Wahl des Bezugsraums unabhängige) zeit-räumliche Beziehung […]. Der Umstand, daß es keine objektiv-sinnvolle Zerspaltung des vierdimensionalen Kontinuums in ein dreidimensional-räumliches und ein eindimensional-zeitliches Kontinuum gibt, bringt es mit sich, daß die Naturgesetze erst dann ihre logisch befriedigendste Form annehmen, wenn man sie als Gesetze im vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum ausdrückt. Hierauf beruht der große methodische Fortschritt, den die Relativitätstheorie Minkowski verdankt.“[25]

Welch gravierende Konsequenzen darin für den physikalischen Begriff des Raums in Bezug auf die philosophischen Begriffe des Seins und des Werdens liegen, ist Einstein nicht entgangen.

„Da es in diesem vierdimensionalen Gebilde keine Schnitte mehr gibt, welche das ‚Jetzt’ objektiv repräsentieren, wird der Begriff des Geschehens und Werdens zwar nicht völlig aufgehoben, aber doch kompliziert. Es erscheint deshalb natürlicher, das physikalisch Reale als ein vierdimensionales Sein zu denken statt wie bisher als das Werden eines dreidimensionalen Seins.“[26]

Andererseits ist der Begriff der Zeit auf den Begriff von Bewegung angewiesen, nicht allein, weil es ohne regelmäßige Bewegung faktisch keine präzise Zeitmessung gäbe, sondern schon deshalb, weil zur exakten Definition des Ablaufs der Zeit prinzipiell eine Veränderung namhaft zu machen ist, die das absolute Maß von Regelmäßigkeit abgibt.

“How then is time defined? Time is defined so that motion looks simple!”[27]

Die Zeitmessung wird so operationalisiert, daß kräftefreie Bewegungen am einfachsten aussehen. Es sind Trägheitsbewegungen. Sie folgen sogenannten Geodäten im ungekrümmten oder gekrümmten vierdimensionalen Raum, womit gerade oder geradeste Verbindungslinien zwischen Ereignissen gemeint sind, repräsentiert durch Punkte, die nacheinander auf einer Weltlinie durchlaufen werden. Jene geodätischen Kurven, Linien nämlich, die überall so gerade wie möglich verlaufen, stellen den Ablauf von Bewegungen dar, wie sie sich von allein vollziehen, ohne von außen beeinflußt oder gestört zu werden. Anhand des physikalischen Raums mit dessen geodätischem Strukturgerüst, welches reguläre Bewegungsabläufe ohne Krafteinwirkung vorgibt, ergibt sich eine äußerst enge begriffliche Verschränkung zwischen räumlichen und zeitlichen Aspekten von Bewegung.

Ein gewagter Schritt Einsteins, den weder Lorentz noch Poincaré (mit-) machten, bestand darin, die dreidimensionale räumliche Struktur untrennbar mit der linearen zeitlichen Struktur zu verbinden, um die Idee der Galileischen Trägheitsbewegung, die materielle Körper ohne äußere Einwirkung von selbst vollziehen, ins Vierdimensionale des Raum-Zeit-Kontinuums zu übertragen. Deren Weltlinien stellen Geodäten im vierdimensionalen Raum dar. Zwischen Ereignissen bilden sie Linien extremaler Länge. In der Minkowski-Geometrie der Speziellen Relativitätstheorie handelt es sich um gerade Linien, in der Riemannschen Geometrie der Allgemeinen Relativitätstheorie im allgemeinen nicht, es sei denn, der Raum ist ‚flach’, also ungekrümmt. Lokal gesehen weichen schwach gekrümmte Linien von geraden umso weniger ab, je enger der betrachtete Ausschnitt gewählt wird, weshalb dort die Spezielle Relativitätstheorie näherungsweise anwendbar ist, ohne die Allgemeine Relativitätstheorie global gesehen überflüssig zu machen.

Eine der Pointen der Relativitätstheorie Einsteins im Vergleich zur klassischen Mechanik Newtons liegt darin, daß Weltlinien im vierdimensionalen Raum die Rolle von Bahnkurven im dreidimensionalen Raum übernehmen. Wo die Bewegung eines physikalischen Körpers von einer geodätischen Kurve im Raum abweicht, sind äußere Kräfte wirksam. Ohne die vierte Dimension des Raums wäre der zeitliche Verlauf mittels der Kurve selbst nicht wiederzugeben; ob eine dreidimensionale Bahnkurve gleichmäßig durchlaufen wird oder nicht, ist an deren Kurvenform nicht ablesbar. Ist dagegen der Ablauf der Zeit in die Form der Kurve, welche die Bewegung beschreibt, eingearbeitet, wie im vierdimensionalen Raum der Relativitätstheorie, ist ihr ohne weiteres anzusehen, wie die Bahn zeitlich durchlaufen wird. Trägheitsbewegungen als kräftefreie Bewegungen, die als solche an Geodäten im Raum gebunden sind, stammen zwar aus der klassischen Physik, doch übernimmt sie die relativistische Physik nicht ohne eine generalisierende Uminterpretation, welche den Unterschied zwischen Bahnkurven und Weltlinien ausmacht: Aus geraden Linien des dreidimensionalen Raums, die gleichmäßig durchlaufen werden, sind geodätische Kurven im ungekrümmten oder gekrümmten vierdimensionalen Raum geworden.

Schon die klassische Mechanik kennt, in ihrer verallgemeinerten Fassung als Lagrange-Mechanik oder Hamilton-Mechanik, höherdimensionale Räume wie den Phasenraum, in denen Bewegungsabläufe anhand von Extremalprinzipien für Kurven in solchen Räumen charakterisierbar sind, doch in der Relativitätstheorie ist an eine engere und andersartige Verkoppelung von räumlichen Koordinaten mit der zeitlichen Koordinate gedacht. Codiert ist die vierdimensionale Geometrie des Raum-Zeit-Kontinuums in einer Pseudo-Riemannschen Metrik, die nicht mit der n‑dimensional verallgemeinerbaren Euklidischen Metrik übereinstimmt.

Sonst wäre nämlich keine Geschwindigkeit invariant, sondern würde bei Koordinatentransformationen unterschiedliche Werte annehmen. Eben dies trifft auf eine ganz bestimmte Geschwindigkeit nicht zu, die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum, wie Messungen wider Erwarten ergaben.[28] Daß irgendeine Geschwindigkeit invariant sei, nicht bloß konstant, verstieß eklatant gegen die klassische Transformation zwischen Koordinatensystemen, Galilei-Transformation genannt. Lorentz und Poincaré machten eine abweichende Umrechnung von Koordinaten ausfindig, seither als Lorentz-Transformation oder noch etwas weiter gefaßt als Poincaré-Transformation bekannt, um rechnerisch der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit gerecht zu werden, indem räumliche und zeitliche Koordinaten wechselseitig ineinander umgewandelt, also nicht getrennt voneinander behandelt werden, wie es bei der Galilei-Transformation geschieht. Lorentz und ebenso Fitzgerald gingen von einer geschwindigkeitsabhängigen Längenkontraktion in Bewegungsrichtung aus. Die eigentliche physikalische Bedeutung der rein mathematisch richtigen Transformationsformeln zu verstehen, schien alles andere als einfach zu sein, und anders als es Lorentz oder Poincaré beabsichtigte, machte Einstein jene Kopplung von Raum und Zeit zur Grundlage einer Theorie, welche den tradierten Rahmen der Physik sprengte. Als anschließend Minkowski die Spezielle Relativitätstheorie mit einer Raum-Zeit-Geometrie versah, deren Metrik allen üblichen Vorstellungen zuwiderlief, teilten sich die Geister.[29] Und schließlich setzte sich die moderne Physik von der klassischen Physik ab, indem sie sich einerseits relativistisch ausrichtete, andererseits quantenmechanisch. Eine theoretisch einwandfreie Verquickung von Relativitätstheorie und Quantenphysik steht indessen nach wie vor aus.

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Die relativistische Physik verabschiedet sich von der tradierten Vorstellung des Raums als neutral bleibendem Rahmen für darin stattfindende Bewegungen, indem sie das Raum-Zeit-Kontinuum in die Bewegungsabläufe einbezieht, so daß die tradierte Scheidung zwischen inaktiven geometrischen Gegebenheiten, für die allein die Mathematik zuständig ist, und aktiven mechanischen Abläufen, die seitens der Physik untersucht werden, hinfällig wird. Zur Thematik der Physik gehört die Geometrie des Raums ebenso wie die Dynamik der Materie.

Als Raum wird ein vierdimensionales Kontinuum aufgespannt, ausgestattet mit einer nicht-euklidischen, Pseudo-Riemannschen Metrik, die als Tensor durch ein Feld definiert ist, welches seinerseits von der vorhandenen Materie, genauer gesagt, von der Verteilung und Bewegung von Masse oder Energie, abhängt. Zwischen Masse und Energie ist wegen der fundamentalen Identifikation, die sich in der Gleichung E = mc² niederschlägt, weder ontologisch noch physikalisch zu unterscheiden,[30] Zumal die invariante (Vakuum-) Lichtgeschwindigkeit c als 1 angesetzt werden kann, wenn Zeit- und Raumkoordinaten im selben Maß, das heißt in derselben Maßeinheit (etwa in Metern), gemessen werden.[31]

Statt die Trägheit eines materiellen Körpers, die bei jeder Beschleunigung als dessen (träge) Masse einer Änderung des Betrags oder der Richtung der momentanen Geschwindigkeit entgegenwirkt, von der kinetischen Energie zu unterscheiden, die in der Bewegung des Körpers steckt, ist gemäß der Relativitätstheorie beides gleichzusetzen, um „jegliche träge Masse als einen Vorrat von Energie aufzufassen.“[32] Noch eine weitere Übereinstimmung ist wichtig. In der vorrelativistischen Physik gab es keinen meßbaren Unterschied zwischen der (schweren) Masse, nach der sich die Gravitation – als wechselseitige ‚Massenanziehung’ zwischen materiellen Körpern – bemißt, und der (trägen) Masse, die in der Trägheit – als entgegenwirkender ‚Widerstand’ bei betrags- oder richtungsmäßiger Geschwindigkeitsänderung – besteht. Allerdings war die Ununterscheidbarkeit zwischen träger und schwerer Masse nichts weiter als ein experimentelles Faktum, das erst konzeptuelle Relevanz erlangte, als die Gleichsetzung beider Massen konstitutiv in die Relativitätstheorie einging.

Seit träge Masse, schwere Masse und Energie miteinander gleichgesetzt worden sind, ist ‚Materie’ begrifflich etwas anderes geworden als je zuvor. Als Schlüsselbegriff, der jene Identifikation konzeptuell vermittelt, fungiert das ‚Feld’. Zwischen materiellen Entitäten und geometrischen Strukturen kommt es zum Kontakt, indem ein Gravitationsfeld zwischengeschaltet wird. Es ist ein wechselseitiger, kein einseitiger Kontakt, da sich die mechanische Dynamik nach der vierdimensionalen Geometrie der physikalischen Sphäre richtet, letztere aber strukturell nicht unbeeinflußt bleibt. Einstein gelangt nämlich „zu dem Resultat: das Gravitationsfeld beeinflußt bzw. bestimmt die metrischen Gesetze des raumzeitlichen Kontinuums.“[33]

In Newtons Mechanik war keinerlei Rückwirkung physikalischer Entitäten auf die mathematische Struktur des Raums oder der Zeit vorgesehen, doch Einstein zufolge bleibt, während sich etwas bewegt und anders verteilt, die raumzeitliche Geometrie nicht unbeeinflußt. Jede materielle Umverteilung durch physikalische Bewegungsabläufe wirkt sich unmittelbar auf den vierdimensionalen Raum aus, in welchen alle Bewegungen als solche ‚eingebettet’ sind. Dessen Krümmung verändert sich lokal nach Maßgabe der wechselnden Konzentration und fortlaufenden Distribution von Materie, sei es als Masse oder Energie, und der veränderliche Grad der Krümmung beeinflußt wiederum den mechanischen Bewegungsablauf.

Der Bewegung eines annähernd punktförmigen Körpers entspricht eine kontinuierliche Weltlinie; bei einem ausgedehnten Körper wäre es stattdessen eine Schar von Weltlinien. Der Aufenthalt des Körpers an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit stellt ein Ereignis dar, wiedergegeben durch einen Punkt im vierdimensionalen Raum, und in der Gesamtheit jener Punkte besteht die Weltlinie des Körpers, die eine Kurve im vierdimensionalen Raum bildet. Wenn und nur wenn diese Kurve eine Geodäte darstellt, also möglichst geradlinig im möglicherweise gekrümmten Raum verläuft, vollzieht sich die Bewegung des Körpers kräftefrei, ansonsten unterliegt er während seiner Bewegung der Einwirkung äußerer Kräfte, die sich nicht gegenseitig aufheben und eine Abweichung der Weltlinie vom Verlauf geodätischer Linien bewirken. Wo der Raum ungekrümmt ist und die Geodäten gerade verlaufen, wird er als flach bezeichnet. Die gekrümmte Geometrie des vierdimensionalen Raums spiegelt sich in der Dynamik unbeeinflußter Körper wider.

Im relativistischen Sinne ist mit ’Raum’ jene vierdimensionale Mannigfaltigkeit gemeint, deren Topologie und Metrik zum einen räumliche und zeitliche Konstituenten amalgamisiert, zum anderen mit bewegter und verteilter Materie verkoppelt ist. Insofern ist der Raum selbst in die Mechanik involviert, da die dynamische Umverteilung von materiellen Entitäten die lokale und globale geometrische Krümmung des vierdimensionalen Kontinuums bedingt und vice versa. Weshalb gelegentlich von ‚Geometrodynamik’ gesprochen worden ist,[34] weil geometrische und mechanische Momente gemäß der Relativitätstheorie unmittelbar ineinandergreifen. Es ist das Phänomen der Gravitation, in dem sich die besagte Kopplung zwischen Geometrie und Mechanik manifestiert. Die Relativitätstheorie bildet, in ihrer allgemeinen Fassung, nichts anderes als eine Gravitationstheorie. Mit anderen Worten: „Space tells matter how to move. Matter tells space how to curve.“[35]

Das Entscheidende an der Allgemeinen Relativitätstheorie ist, daß sich die Krümmung des Raum-Zeit-Kontinuums als Gravitation auswirkt, so daß es sich letztlich um eine Theorie der Gravitation handelt. Was sich kräftefrei bewegt, ‚folgt’ geodätischen Weltlinien, und wenn sich anfänglich parallele Geodäten wegen der Krümmung des vierdimensionalen Raums einander annähern oder voneinander entfernen, wirkt es, als wären irgendwelche anziehenden oder abstoßenden Kräfte am Werk. Einsteins Erklärung der Newton unerklärlich gebliebenen Gravitationskräfte liegt darin, daß es zur Gravitation gar keiner Kraft bedarf. Die Anziehung läßt sich (lokal) wegtransformieren, indem ein frei fallendes (free floating) Koordinatensystem verwendet wird (das raumzeitlich nicht allzu weit ausgedehnt sein darf); andernfalls stellen sich gewisse Anziehungseffekte ein.[36] Den eigentlichen Wirkungszusammenhang[37] zwischen Geometrie und Materie stiftet das Gravitationsfeld, in dem sich nichts anderes ausdrückt als die Variation der lokalen Krümmung des vierdimensionalen Raums. Eine vermeintliche Anziehung zwischen Massen, gemeinhin Schwerkraft genannt, existiert nicht.

„Curvature in geometry manifests itself as gravitation. Gravitation works on the separation of nearby particle world lines. In turn, particles and other sources of mass-energy cause curvature in the geometry. How does one break into this closed loop of the action of geometry on matter and the reaction of matter on geometry? One can begin no better than by analyzing the motion of particles and the dynamics of fields in a region of spacetime so limited that it can be regarded as flat.”[38]

Die Geometrie des flachen Raums, des vierdimensionalen Minkowski-Raums, behandelt die Spezielle Relativitätstheorie, und die Allgemeine Relativitätstheorie geht zu gekrümmten Räumen über. Die Feldgleichungen nehmen entsprechende Form an, und nur im flachen Raum verlaufen alle Geodäten geradlinig. Es handelt sich um nichtlineare Differentialgleichungen, zehn insgesamt, denen ein vierdimensionaler Raum zu genügen hat, um als Raum-Zeit-Kontinuum der Physik in Frage zu kommen. Um diese Gleichungen zu lösen, ist das Gravitationsfeld in Form der Raumkrümmung mit den Quellen des Feldes, nämlich der als Masse oder Energie verteilten Materie, in Einklang zu bringen. Lösungen zu finden, ist schwierig, und wegen der Nichtlinearität der Gleichungen führt die Überlagerung gefundener Lösungen im allgemeinen nicht zu weiteren Lösungen. Oftmals werden nur approximative statt exakter Lösungen ermittelt. Gewisse Lösungen, beispielsweise die Schwarzschild-Lösung (1916) oder die Kerr-Lösung (1963), die für kugelsymmetrische beziehungsweise rotierende schwarze Löcher gelten,[39] sind nicht frei von Singularitäten. Es sind irreguläre Stellen oder Gebiete im Raum, wo das betreffende Koordinatensystem ‚aussetzt’ (Koordinatensingularitäten), oder wo die einschlägigen physikalischen Formeln ‚versagen’ (intrinsische oder echte Singularitäten). Ob solche Singularitäten jemals echt sind, oder bei geschickt konstruierten Koordinaten und ohne realitätsferne Symmetrieanforderungen gar nicht in Erscheinung treten, war eine ebenso wichtige wie umstrittene Frage. Nahtlose Übergänge zwischen wechselnden Koordinatensystemen sind ohnehin nötig, weil es im allgemeinen keines gibt, das den gekrümmten Raum insgesamt abdeckt, weshalb zu dessen Kartierung ein ‚Atlas’ aus überlappenden ‚Karten’ zusammenzustellen ist, wie es sinnigerweise heißt.

Ist eine Singularität so etwas wie ein blinder Fleck des theoretischen Hintergrunds, der unter geändertem Blickwinkel wieder verschwindet? Oder gerät die physikalische Theorie dort definitiv an den Rand ihres Blickfelds? Mit den Singularitätstheoremen, deren erstes Penrose (1965) anhand seiner methodischen Einführung einer topologischen Herangehensweise bewies, die als ‚globale Methode’ bekannt wurde und der Relativitätstheorie zu enormen Fortschritten verhalf, wurde die Frage beantwortet, wie echt oder unecht gewisse Singularitäten eigentlich sind. Im Innern eines schwarzen Lochs tritt eine waschechte Singularität auf, keine bloß koordinatenbedingte, und beim Urknall (big bang) ebenfalls. Weitere wichtige theoretische Resultate gehen auf Hawking, Penrose und andere zurück, wobei Hawking (1974) die Quantenphysik von Vakuum­fluktuationen auf schwarze Löcher anwandte und überraschende Ergebnisse erzielte, was deren Entropie samt thermischer Strahlung anbelangt (Hawking-Effekt). Von einer noch ausstehenden Theorie der Quantengravitation, die sich allenfalls andeutungsweise abzeichnet, wäre unter anderem zu erwarten, daß sie näheren Aufschluß über die innere Physik von Singularitäten gibt, an welche die Relativitätstheorie allenfalls von außen heranreicht; oftmals strebt bei der Annäherung an eine Singularität die Raumkrümmung gegen unendlich.

“[Penrose] invented the concept of a ‘trapped surface’. This is a closed surface, such that all light emitted on it moves inward; […]. (Technically, one requires both inward and outward directed light rays to ‘converge’.) And then he proved that under some very reasonable assumptions (positivity of energy, etc.) a singularity must form inside any trapped surface.”[40]

Ein schwarzes Loch entzieht sich jedem Einblick von außen durch einen sogenannten Ereignishorizont, der es abschirmt. Was hinter den Ereignishorizont gelangt, verschwindet ohne Wiederkehr, und auch keinerlei Information via Licht kehrt zurück. Die Singularität ist, ebenso wie ihre nähere Umgebung, von außen unsichtbar. Ob es unter den Singularitäten auch welche gibt, die sich nicht verbergen, ist gegenwärtig noch offen. Penrose vertritt die These von der ‚kosmischen Zensur’, die das Auftreten ‚nackter’ Singularitäten generell verbietet; eine unwiderlegte Hypothese, die nicht unwidersprochen blieb.

Wird das physikalische Universum, welches in seiner Gesamtheit den Untersuchungsgegenstand von Kosmologie bildet, auf einer genügend großen Skala betrachtet, stellt sich die Frage, ob es als isotrop und als homogen anzusehen ist. Wird die Verteilung der Materie insgesamt, obgleich sie in kleinen Bereichen recht unterschiedlich sein mag, mit größer werdendem Maßstab immer gleichmäßiger, so sind beide Annahmen naheliegend, und gegenwärtig spricht nichts dagegen, von der Homogenität und Isotropie des kosmischen Raums auszugehen. Daß sich beides zunehmend verliert, je kleinere Ausschnitte des Ganzen miteinander verglichen werden, ändert nichts daran, daß im Großen anscheinend keine Granularität, keine Inhomogenität, keine Anisotropie vorliegt, so daß es nicht unzulässig ist, von unserer eigenen näheren kosmischen Umgebung ausgehend zu extrapolieren. Homogen beziehungsweise isotrop ist ein Raum, wenn und nur wenn darin kein Ort beziehungsweise keine Richtung vor anderen ausgezeichnet ist; wobei sich aus der Isotropie die Homogenität folgern läßt. Ebenfalls unterstellt worden ist die vermeintliche Statizität des Universums, bis dessen Expansion anhand des relativistischen Dopplereffekts entdeckt wurde. Er führt zur Verschiebung von Frequenzen im Lichtspektrum ferner Lichtquellen, und zwar proportional zur deren Fluchtgeschwindigkeit. Wie sich die expansive Ausdehnung des Universums zukünftig verändert, ob sie sich verlangsamt oder beschleunigt, und ob sie sich irgendwann in eine Gegenbewegung umkehrt, ist ungewiß. Zumal quantenmechanische Szenarien in die relativistische Physik zu integrieren sind, während eine kohärente Konzeption des Konnexes zwischen Mikro- und Makrokosmos noch aussteht. Unter dem Stichwort ‚Quantengravitation’ werden unterschiedlichste Ansätze verfolgt, doch deren nähere Ausarbeitung stößt auf erhebliche Schwierigkeiten theoretischer Art, so daß empirisch relevante Resultate nicht absehbar sind.

Um ein stabiles, statisches und in sich geschlossenes, randloses Universum zu garantieren, hatte Einstein (1917) eine folgenschwere Modifikation seiner Feldgleichungen vorgenommen, indem er die sogenannte kosmologische Konstante einführte. Eine irrige Präsumtion, wie er nachträglich einsah, als Hubble (1929) die Expansion des Universums nachwies. Die am Teleskop meßbare Rotverschiebung (redshift) von Spektrallinien zeugte von der Zunahme intergalaktischer Abstände im Weltall. Das Universum war – in toto – anscheinend dynamischer als angenommen.

Trotzdem ist der kosmologische Korrekturterm, ursprünglich eingefügt wegen mangelnder Stabilität des Zustands, den die Gleichungen sonst für das Universum voraussagten, inzwischen nicht bedeutungslos geworden. Er dient dazu, die Dynamik des Ganzen in astronomischen Größenordnungen zu justieren. Nimmt die kosmologische Konstante einen Wert ungleich null an, stellt sich eine Gegenwirkung zur Gravitation ein, die sie abschwächt, oder aber eine verstärkende Wirkung, je nachdem, ob der Wert positiv oder negativ ist. Es würde sich lokal fast gar nicht bemerkbar machen, aber die globale Krümmung des Raums modifizieren, wenn der Wert geringfügig von null abwiche. Manches spricht für einen ziemlich kleinen positiven Wert. Die Krümmung des Raums wäre dann nicht allein durch die verteilte Energie als Quelle des Gravitationsfelds bedingt. Und der leere Raum, als solcher quellfrei, wäre bei positiver kosmologischer Konstante nicht etwa flach (im Sinne Minkowskis), sondern konstant negativ gekrümmt, woraus ein Universum resultiert (nach de Sitter benannt), das niemals aufhört zu expandieren; wogegen ein geschlossenes Universum, in dem ein ‚big bang’ einen ‚big crunch’ nach sich zieht, positiv gekrümmt ist. Bezogen auf die drei räumlichen Dimensionen, die den ‚normalen’ Raum im engeren Sinne bilden (wie bei Euklid), wird im Falle negativer Krümmung von hyperbolischer Geometrie gesprochen, und von elliptischer Geometrie bei positiver Krümmung.[41]

Zwischen kosmologisch relevanten Maßstäben und mikrophysikalischen Ausmaßen gemäß der Planck-Skala gibt es größenordnungsmäßig zwar einen enormen Unterschied, doch da die Raumstruktur für die ganze Spannbreite physikalischer Phänomene relevant ist, ist über sämtliche Größenordnungen hinweg keinerlei Inkompatibilität zulässig. Sonst zerfiele die Physik in separate Segmente. Der makroskopische Raum ist strukturell durch die Gravitation bedingt, doch nichts dergleichen wäre mikroskopisch wiederzufinden, wenn die Quantenphysik ohne Gravitation formuliert würde. Letzteres stellt gegenwärtig ein ungelöstes Problem sondergleichen dar (quantum gravity). Ansätze zur Quantengravitation finden sich, wie gesagt, in diversen Theorien; wie String-Theorie(n), Loop-Theorie, Twistor-Theorie etc.

Das Ziel der stringtheoretischen Konzeption ist es, die punktförmigen Partikel des quantenmechanischen Standardmodells durch schwingungsfähige fadenartige oder flächenhafte Elemente zu ersetzen. Zu unterscheiden ist zwischen (unrealistischen) bosonischen Stringtheorien, deren Strings in einem 26‑dimensionalen Raum schwingen, aber nur Bosonen, keine Fermionen dazustellen vermögen, und (realistischeren) supersymmetrischen Stringtheorien, die einen 10‑dimensionalen Raum benötigen und neben Bosonen auch Fermionen als Schwingungen von Strings deuten, wobei die inzwischen bekannten fünf Superstringtheorien durch eine 11‑dimensionale Version, die sogenannte M‑Theorie geeint werden, so daß sie als Facetten einer einzigen Theorie erscheinen, welche allerdings noch weitgehend im Verborgenen liegt. Eine der Dimensionen ist zeitlich, die restlichen sind räumliche Dimensionen. Bis auf vier Dimensionen, deren eine die Zeit ist, sind alle anderen räumlichen Dimensionen normalerweise so eng ‚aufgewickelt’, daß sie makroskopisch nicht weiter in Erscheinung treten, mikroskopisch aber zusätzliche Freiheitsgrade eröffnen. Mit kompaktifizierten Dimensionen wird im Raum genügend Platz für vielfältige Vibrationen geschaffen, denen wiederum die enorme Vielfältigkeit quantenmechanischer Partikel entspricht. Bei den Strings selbst ist zu unterscheiden zwischen offenen und geschlossenen; im höherdimensionalen Raum werden daraus Hyperflächen oder Membranen (D‑branes). Dem Spektrum möglicher Schwingungszustände solcher Strings verdanken sich sämtliche quantenmechanischen Interaktionen. Der gravierende Mangel des Standardmodells in der Quantenphysik, keine gravitativen Wechselwirkungen modellieren zu können, scheint stringtheoretisch behebbar zu sein,[42] doch noch ist unbekannt, ob und inwieweit das ansonsten bewährte Standardmodell seitens der Stringtheorie(n) herleitbar ist. Würde das bislang akzeptierte quantenmechanische Modell gar nicht oder nicht eindeutig genug reproduziert, wäre der stringtheoretische Approach zwar interessant aber irrelevant.

Die in der Stringtheorie veranschlagten räumlichen Extradimensionen ‚verbergen’ sich übrigens nicht unbedingt in Größenordnungen der Planck-Länge, die etwa 10-35m beträgt, sondern könnten unter Umständen bis in Bereiche von einem zehntel Millimeter ‚hineinragen’, ohne zu theoretischen Unstimmigkeiten zu führen. Zur Konfrontation theoretischer Konsequenzen mit faktischen Experimenten fehlt jedoch noch jede Handhabe, die interne Struktur der Theorie ist zudem ungeklärt, und die zweifellos attraktive Hypothese der Supersymmetrie ist ungetestet.

Das Vorbild für die Hinzunahme weiterer Dimensionen gab die Kaluza-Klein-Theorie ab, als Kaluza (1921) eine fünfte Dimension zum vierdimensionalen Raum hinzufügte, von Einstein übrigens gebilligt, um außer der Gravitation (in Gestalt von Einsteins Feldgleichungen) auch den Elektromagnetismus (in Gestalt von Maxwells Gleichungen) räumlich ‚unterzubringen’. Es verstecken sich Kräfte im Raum – wenn man so will.

4     Literatur

Einstein, Albert / Infeld, Leopold, The Evolution of Physics. From Early Concepts to Relativity and Quanta, (1938), New York, London, Toronto 1966; dt: Die Evolution der Physik. Von Newton bis zur Quantentheorie, Hamburg 1956

Einstein, Albert, „Das Raum-, Äther- und Feld-Problem der Physik“, in: Mein Weltbild, pp.154-164

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Einstein, Albert, „Einiges über die Entstehung der allgemeinen Relativitätstheorie“, in: Mein Weltbild, pp.150-154

Einstein, Albert, „Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig?“, (1905), Annalen der Physik 18, pp.639-641

Einstein, Albert, „Reply to Criticisms“, (1949), in: Schilpp, Albert Einstein: Philosopher-Scientist, pp.663-688

Einstein, Albert, „Über das Relativitätsprinzip und die aus demselben gezogenen Folgerungen“, (1907), Jahrbuch der Radioaktivität und Elektronik 4, pp.411-462 (1907) / Berichtigungen in: 5, pp.98-99 (1908)

Einstein, Albert, „Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Ausbreitung des Lichtes“, (1911), Annalen der Physik 35, pp.898-908

Einstein, Albert, „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“, (1905), Annalen der Physik 17, pp.891-921

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Greiner, Walter, Classical Mechanics. Point Particles and Relativity, Berlin, Heidelberg, New York 2004

Hund, Friedrich, Geschichte der physikalischen Begriffe, Teil I: Die Entstehung des mechanischen Naturbildes, Teil II: Die Wege zum heutigen Naturbild, (1972, 21978), Heidelberg, Berlin, Oxford 1996

Jammer, Max, Concepts of Force. A Study in the Foundations of Dynamics, (1957), New York 1999

Jammer, Max, Concepts of Mass in Classical and Modern Physics, (1961), New York 31997

Jammer, Max, Concepts of Space. The History of Theories of Space in Physics, (1954, 31993), Third Enlarged Edition, New York 31993

Lorentz, H. A. / Einstein, A. / Minkowski, H. / Weyl, H., The Principle of Relativity. A Collection of Original Memoirs on the Special and General Theory of Relativity, (1923), New York 1952

Mach, Ernst, Die Mechanik in ihrer Entwicklung historisch-kritisch dargestellt, (1883), Leipzig 91933, Nachdruck: Darmstadt 1988

Meyenn, Karl v., (ed.), Albert Einsteins Relativitätstheorie. Die grundlegenden Arbeiten, Braunschweig 1990

Misner, Charles W. / Thorne, Kip S. / Wheeler, John Archibald, Gravitation, New York 211998

Newton, Isaac, Mathematical Principles of Natural Philosophy (Philosophiae Naturalis Principia Mathematica), (11687, 21713, 31726), Berkeley, Los Angeles, London 1999

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Penrose, Roger, The Road to Reality. A Complete Guide to the Laws of the Universe, New York 2005

Poincaré, Henri, Science and Hypothesis, (1902), New York 1925

Poincaré, Henri, Wissenschaft und Hypothese, (dt: 21906), zit. nach: Becker, Grundlagen der Mathematik in geschichtlicher Entwicklung, pp.208-209 (Auszug)

Reichenbach, Hans, The Philosophy of Space and Time, (1957), New York 1958

Rindler, Wolfgang, Relativity. Special, General, and Cosmological, (2nd ed.), Oxford, New York 2006

Schröder, Ulrich E., Gravitation. Einführung in die Allgemeine Relativitätstheorie, Frankfurt am Main 32004

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Schutz, Bernard F., Geometrical Methods of Mathematical Physics, Cambridge 1999

Taylor, Edwin F. / Wheeler, John Archibald, Spacetime Physics. Introduction to Special Relativity, Second Edition, New York 1998; dt: Physik der Raumzeit. Eine Einführung in die spezielle Relativitätstheorie, Heidelberg, Berlin, Oxford 1994

(Copyright by Peter Gold)


[1] Abgesehen von abstrakteren Raumkonzepten, die in der Physik gebräuchlich sind: zum Beispiel der n‑dimensionale Phasenraum oder der unendlich-dimensionale Hilbert-Raum.

[2]Die Gesetze der Physik müssen so beschaffen sein, daß sie in bezug auf beliebig bewegte Bezugssysteme gelten.“ [Einstein, „Die Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie“, p.772]

[3] „Wir kommen also zu dem Resultat: das Gravitationsfeld beeinflußt bzw. bestimmt die metrischen Gesetze des raumzeitlichen Kontinuums.“ [Einstein, Grundzüge der Relativitätstheorie, p.62f]

[4] Newton, Mathematical Principles of Natural Philosophy, p.408f

[5] Newton, Mathematical Principles of Natural Philosophy, p.408

[6] „It is especially clear from Leibniz’s correspondence with Huygens that he tried desperately for years without success to find a dynamical argument for the relativity of motion. Yet it is a curious fact for us today to note that actually he came very near to Mach’s solution of the problem. In his »De Causa Gravitatis, et Defensio Sententiae Autoris de veris Naturae Legibus contra Cartesianos« Leibniz tried to demonstrate that gravity is not explicable as a force acting at a distance, but is reducible to the contiguous action of the surrounding ether. […] he tried to reduce gravity to a centrifugal force […]. Directly opposite to this was Mach’s daring description of centrifugal forces as a disguised gravitational action.” [Jammer, Concepts of Space, p.119f]

[7] cf. Jammer, Concepts of Space, p.143

[8] Mach, Die Mechanik in ihrer Entwicklung historisch-kritisch dargestellt, p.226

[9] Mach, Die Mechanik in ihrer Entwicklung historisch-kritisch dargestellt, p.227

[10] Zumal Newton laut Mach „zwar manches über diese Dinge geredet, aber durchaus keine ernste Anwendung von denselben gemacht hat.“ [Mach, Die Mechanik in ihrer Entwicklung historisch-kritisch dargestellt, Vorwort zur siebten Auflage (1912), p.XXXI]

[11] Mach, Die Mechanik in ihrer Entwicklung historisch-kritisch dargestellt, Vorwort zur siebten Auflage (1912), p.XXXI

[12] „Freilich war mir Machs Auffassung bekannt geworden, nach der es als denkbar erschien, daß der Trägheitswiderstand nicht einer Beschleunigung an sich, sondern einer Beschleunigung gegen die Massen der übrigen in der Welt vorhandenen Körper entgegenwirke. Dieser Gedanke hatte für mich etwas Faszinierendes, aber er bot keine Grundlage für eine neue Theorie.“ [Einstein, „Einiges über die Entstehung der allgemeinen Relativitätstheorie“, p.150]

[13]Mach’s principle updated and spelled out: »Specify everywhere the distribution and flow of mass-energy and thereby determine the inertial properties of every test particle everywhere and at all times«.” [Misner, Thorne, Wheeler, Gravitation, p.543]

[14] cf. Schröder, Gravitation, p.24f

[15] Wobei übrigens inhaltlich abweichende Varianten des Prinzips formuliert und diskutiert werden, welches Mach im Sinne von Einstein zuzuschreiben ist.

[16] “[…] moving matter gravitates differently from matter at rest. […] moving matter generates a ‘gravimagnetic’ field which pushes moving test masses sideways, just as a magnetic field pushes moving charges sideways.” [Rindler, Relativity. Special, General, and Cosmological, p.302]

[17] Rindler, Relativity. Special, General, and Cosmological, p.338

[18] Vor allem in der Wissenschaftstheorie und in der Analytischen Philosophie wurde die Thematik aufgegriffen.

[19] Poincaré, Science and Hypothesis, p.xxiv

[20] “The important thing is not to know what force is, but how to measure it. Everything which does not teach us how to measure it is as useless to the mechanician as, for instance, the subjective idea of heat and cold to the student of heat. This subjective idea cannot be translated into numbers, and is therefore useless.” [Poincaré, Science and Hypothesis, p.106]

[21] Poincaré, Science and Hypothesis, p.90

[22] Poincaré, Science and Hypothesis, p.90

[23] cf. Reichenbach, The Philosophy of Space and Time, p.35ff

[24] “The surprising result was the fact that the world is non-Euclidean, as the theorists of relativity are wont to say; […]. This outcome had not been anticipated, and Helmholtz and Poincaré still believed that the geometry obtained could not be proved to be different from Euclidean geometry. Only Einstein’s theory of gravitation predicted the non-Euclidean result which was confirmed by astronomical observations.” [Reichenbach, The Philosophy of Space and Time, p.36]

[25] Einstein, Grundzüge der Relativitätstheorie, p.33f

[26] Einstein, Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie, p.103; cf. auch p.81

[27] Misner / Thorne / Wheeler, Gravitation, p.23; cf. ib. p.26

[28] Als experimentum crucis gilt die von Michelson und Morley (1887) mittels eines Interferometers ausgeführte Präzisionsmessung.

[29] Angetan davon waren weder Mach, noch Michelson und Morley, selbst Lorentz und Poincaré nicht. Es änderte nichts an der radikalen Wende, die in der Physik eintrat; was einem ‚spatial turn’ gleichkam.

[30] „Masse und Energie sind also wesensgleich, d. h. nur verschiedene Äußerungsformen derselben Sache. Die Masse eines Körpers ist keine Konstante, sondern mit dessen Energieänderungen veränderlich.“ [Einstein, Grundzüge der Relativitätstheorie, p.49]

[31] Licht legt im Vakuum einen Meter Raum in einem Meter Zeit zurück, falls als Zeitkoordinate statt t der Wert ct gewählt wird, da die Lichtgeschwindigkeit c = 299792458m/s beträgt, und zwar relativ zu beliebigen Bezugssystemen. Daß der angegebene Wert per definitionem gilt, und nicht etwa mit irgendeinem Meßfehler behaftet ist, rührt daher, daß die beiden Maßeinheiten Meter und Sekunde inzwischen nicht mehr unabhängig voneinander eingeführt werden, wobei das ehemalige Urmeter als Längennormal ausgedient hat und die Schwingungsfrequenz einer Atomuhr das gültige Zeitnormal liefert. Deshalb ‚vermittelt’ die invariante Lichtgeschwindigkeit c zwischen den Maßeinheiten für räumliche Distanzen und zeitliche Intervalle, so daß ohne weiteres auf eine von beiden Einheiten verzichtet werden kann. Letzteres bildet übrigens eine nicht unwichtige Bedingung dafür, daß die eigentliche Raum-Zeit-Struktur in möglichst entzerrter Form hervortritt.

[32] Einstein, „Über das Relativitätsprinzip und die aus demselben gezogenen Folgerungen“, p.442

[33] Einstein, Grundzüge der Relativitätstheorie, p.62f

[34] cf. Misner, Thorne, Wheeler, Gravitation, p.vii

[35] Misner, Thorne, Wheeler, Gravitation, p.5

[36] “Aus diesen Erwägungen sieht man, daß die Durchführung der allgemeinen Relativitätstheorie zugleich zu einer Theorie der Gravitation führen muß; denn man kann ein Gravitationsfeld durch bloße Änderung des Koordinatensystems ‚erzeugen’.“ [Einstein, „Die Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie“, p.773]

[37] Laut Einstein „widerstrebt es dem wissenschaftlichen Verstande, ein Ding zu setzen (nämlich das zeiträumliche Kontinuum), was zwar wirkt, auf welches aber nicht gewirkt werden kann.“ [Einstein, Grundzüge der Relativitätstheorie, p.58]

[38] Misner / Thorne / Wheeler, Gravitation, p.47

[39] Den Ausdruck ‚black hole’ prägte Wheeler, ‚wormhole’ ebenfalls, sowie den Slogan ‚Black holes have no hair’, weil schwarze Löcher einander auf’s Haar gleichen, falls sie in (nur) drei Parametern übereinstimmen: Masse, elektrische Ladung, Drehimpuls.

[40] Rindler, Relativity. Special, General, and Cosmological, p.279

[41] „What, then, is the observed status of the large-scale spatial geometry of the universe? It is only fair to say that we do not yet know, although there have been recent widely publicized claims that Euclid was right all along, and his fifth postulate holds true also, so the averaged spatial geometry is indeed what we call ‘Euclidian’. On the other hand, there is also evidence (some of it coming from the same experiments) that seems to point fairly firmly to a hyperbolic overall geometry for the spatial universe. Moreover, some theoreticians have long argued for the elliptic case, […] the issue is still fraught with controversy and, as might be expected, often heated argument. […] (and I do not attempt to hide my own opinion in favour of the hyperbolic case, while trying to be as fair to the others as I can).” [Penrose, The Road to Reality, p.48]

[42] „String theorists sometimes say that string theory has already made at least one successful prediction: it predicted gravity! […] There is a bit of jest in saying so – after all, gravity is the oldest known force in nature. […] there is a very substantial point to be made here. String theory is the quantum mechanics of a relativistic string. In no sense whatsoever is gravity put into string theory by hand. It is a complete surprise that gravity emerges in string theory. Indeed, none of the vibrations of the classical relativistic string correspond to the particle of gravity. It is a truly remarkable fact that we find the particle of gravity among the quantum vibrations of the relativistic string. […] The striking quantum emergence of gravitation in string theory has the full flavor of a prediction.” [Zwiebach, A First Course in String Theory, p.10]

Proseminar zur Formalen Logik

Mein Proseminar zur Formalen Logik findet in der Woche vom 21.02.11 – 25.02.11 täglich von 09:00 – 18:00 Uhr in Raum IG 0.457 am Campus Westend der Universität Frankfurt statt. Es ist keine Voranmeldung erforderlich. Die Klausur wird voraussichtlich am 28.02.11 um 17:00 Uhr geschrieben. Empfohlene Literatur: Richard C. Jeffrey (& George Boolos),  Formal Logic. Its Scope and Limits, 3rd Edition, New York, Cambridge 1990/2004, oder 4th Edition (by John P. Burgess) 2006.

panta rhei

PG-20090905-193749

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Sokrates: Mir ist, als sehe ich, wie Herakleitos seine alten weisen Sprüche von sich gibt, die gewiß ebenso alt sind wie Kronos und Rhea und die auch Homer schon vorgebracht hat. Hermogenes: Wie meinst du das? Sokrates: Herakleitos behauptet doch, daß alles sich bewegt und nichts ruhig bleibt, und indem er das Seiende mit der Strömung eines Flusses vergleicht, sagt er: Zweimal kannst du wohl nicht in denselben Fluß steigen.” [Platon: Kratylos]

Als Achter

Als Achter
Eine Existenzfrage oder ein Mißverständnis
{aufzuführen statt eines langwierige(re)n Kolloquiums}

A: Ich werde gleich eine Behauptung aufstellen.
B: Da bin ich aber mal gespannt.
A: Warte noch einen Augenblick, ich muß erstmal die Hände aus der Tasche ziehen, weil ich meine Finger dazu brauche.
B: (wartet geduldig)
A: (blickt auf seine Finger)
B: Und?
A: 8!
B: Was?
A: Na, Menschen.
B: Wo?
A: In diesem Raum.
B: Und die anderen? (blickt sich um)
A: Alle versteckt.
B: (erschrocken) Ich dachte, wir wären allein.
A: Dachte ich auch, hab’ aber noch 6 entdeckt.
B: Wo sind die denn?
A: Da! (spreizt die fünf Finger der einen Hand und zeigt mit dem Zeigefinger der ande-ren Hand in Richtung eines Vorhangs)
B: Meinst Du die Schatten?
A: Das sind die Schatten von Menschen. Es sind genau 6. (hält die geballte Faust und den erhobenen Zeigefinger nebeneinander)
B: Wer weiß, was für Schatten das sind?
A: Sie haben sich gerade eben noch bewegt.
B: Das war nur der Vorhang, der sich bewegt hat, weil sowohl die Tür als auch das Fenster offen steht. Der Luftzug …
C: (tritt hinter dem Vorhang hervor) Denkste!
A: Ich hab’s ja gewußt.
B: Ich hätt’s nicht geglaubt.
C: Es stimmt aber nicht.
A: Was stimmt nicht?
C: Es war kein Schatten von jemand anderem als mir zu sehen.
B: (schaut auf den Vorhang) Jetzt sind alle Schatten verschwunden.
C: (grinsend) Es sind 3 Lampen und 1 Spiegel hinter dem Vorhang.
B: Das gibt 6 Schatten?
C: So ist es.
B: Es sind also 3 Menschen in diesem Raum.
A: Willst Du auch eine Behauptung aufstellen?
B: Dazu brauche ich nicht mal meine Finger.
A: Und wenn sich die anderen nur flach hingelegt haben?
B: Gehen wir nachsehen.
C: (ruft) Kommt raus, Leute!
D: (kriecht behende auf dem Boden) Ich bin der 1.!
E: (kriecht murrend auf dem Boden) Ich bin ganz staubig!
F: (kriecht brummend auf dem Boden) Ich bin kein Mensch!
G: (kriecht behäbig auf dem Boden) Ich bin nicht der 8.!
H: (kriecht auf dem Boden, sich umsehend) Wo ist denn der letzte geblieben?
C: Den letzten gibt es nicht.
A: Soll das jetzt wieder eine Behauptung sein?
C: Na klar.
A: (mißtrauisch) Du hast schon einmal gelogen.
C: Habe ich nicht.
B: Die Lampen und den Spiegel hast Du erfunden.
C: Die gibt es wirklich. (tritt kurz hinter den Vorhang, und es zeigen sich wieder die Schatten)
H: Wann fängt das Kolloquium endlich an?
C: Es hat schon längst begonnen.
H: Und warum sollten wir uns verstecken?
C: Damit wir anschließend etwas zu diskutieren haben.
A: Was gibt es denn noch zu sagen? Ich hatte doch recht.
B: Wenn schon – die Gründe taugten nichts.
C: (nachdrücklich) Er hatte nicht recht.
A: (irritiert) Gibt’s denn noch mehr hinter dem Vorhang?
B: (gewieft) Vielleicht nicht, aber einer ist ja kein Mensch.
A: (gelassen) Sagt er.
C: (jedes Wort betonend) Es gibt keinen letzten.
B: Soll das etwa heißen …?
H: Genau. (ruft) Der nächste bitte! (es erscheint niemand)
A: Na bitte.
H: Das beweist gar nichts. Ich bin nicht der letzte, der verspätet zum Kolloquium erscheint. Der nächste kommt gleich. Aber er wartet noch so lange, bis es eine echte Überraschung wird. Bis niemand mehr damit rechnet. (murmelnd) Immer dasselbe, will alle hinters Licht führen, wartet einfach ab, der Schlingel, sein Auftritt soll Aufmerksamkeit erregen.
B: (nachdenklich) Was ist die Fragestellung des Kolloquiums?
A: Ich stellte eine Behauptung auf.
B: Aber wie lautet die Frage?
A: (gewichtig) Die Frage lautet: Stimmt die Behauptung? Und die Antwort lautet: Ja!
B: (ironisch) Dann kann es ja endlich losgehen.
A: (an alle gerichtet) Jeder kann doch überprüfen, ob die Behauptung stimmt oder nicht.
C: (bescheiden) Ich nehme an, daß wir anderen uns an der Diskussion beteiligen dür-fen.
A: (empört) Wozu eine langatmige Diskussion? Es geht nur darum, alle Menschen in diesem Raum abzuzählen. Das ist fix erledigt. (zieht wieder die Hände aus den Taschen)
B: Eben nicht. Zählen kann jeder. Es kommt darauf an, was wir zählen.
A: Menschen.
B: Alle Menschen.
C: Alle Dinge in diesem Raum, die Menschen sind.
D: Jedes Ding, das in diesem Raum ist, und jedes Ding, das ein Mensch ist.
F: Nein, nur jedes Ding, das sowohl in diesem Raum als auch ein Mensch ist.
G: Also jeden Menschen, der in diesem Raum ist.
H: Es sind aber noch mehr da.
A: Wo?
H: Hier, in diesem Raum.

Es entspinnt sich ein schier endloser Disput mit Gesprächsfetzen wie etwa: (wohlwollende Wertungen:) „naheliegender Irrtum“, „schlicht und einfach sinnlos“, „absolut überflüssig“, „relativ unreflektiert“, „beinahe richtig, genauer gesagt, nicht unbedingt grundfalsch“; (nüchterne Wahrheiten:) „es gibt nicht mehr Dinge hier und jetzt als es hier und jetzt gibt“, „aber auch nicht weniger“; (schlagende Argumente:) „das ist doch selbstverständlich“, „das ist selbstverständlich absolut unverständlich“; (kühne Vermutungen:) „das habe ich nicht gesagt“, „das habe nicht ich gesagt“; (metatheoretische Einsichten:) „das glaubt der/die ja selber nicht“, „darum geht es doch gar nicht“, „das habe ich zwar nicht so gemeint, aber wenn ich es so gemeint hätte, wäre es eigentlich auch nicht verkehrt gewesen“, „das ist kompliziert genug, um offensichtlich irrelevant zu sein“; (anerkennende Zustimmung:) „dasselbe hat Wittgenstein übrigens auch gesagt, nur etwas anders“, „das hat überhaupt nichts mit Philosophie zu tun“; (weiterführende Fragestellungen:) „wieso werden bei manchen nicht gebundenen Büchern die Buchrücken mürbe und brechen, bei anderen aber nicht?“, „ob mir wohl auch so eine Gleitsichtbrille stehen würde, die man nicht dauernd abzunehmen braucht?“; (tiefe Geheimnisse:) „warum scheint es nicht nur so, als würden sich immer die anderen irren, während es den anderen nur so scheint, als wäre es genau umgekehrt?“, „warum werde ich so selten zitiert?“

(etwas später)

A: Wer hat mehr als 8 gezählt? (blickt um sich)

B: Wer hat weniger als 8 gezählt? (blickt um sich)

C: (einlenkend) Es hat niemand mehr als 8 und niemand weniger als 8 gezählt. Also 8, nicht mehr und nicht weniger. Und jetzt?
I: (erscheint) Ich bin auch noch da.
H: Welch ein selbstgefälliger Auftritt.
G: Das zählt nicht.
F: Das war’s dann ja wohl.
E: (jandelt) Werch ein Illtum.
D: Wäre ich bloß nicht mitgekommen.
C: (an einige der anderen gerichtet) Laßt uns wieder verschwinden!
B: Zu dumm, daß ihr überhaupt da wart. Es wäre alles so einfach gewesen. (sieht ihnen nach, wie sie hinter den Vorhang kriechen)
A: (nimmt die Hände aus den Taschen und betrachtet seine Finger) Ich werde gleich wieder eine Behauptung aufstellen.
C: (nicht mehr sichtbar, leise) Diesmal werden wir keinen einzigen Schatten werfen.
B: Es ist nicht dasselbe wie vorher.
C: (hörbar, aber unsichtbar) Sagte ich doch.
B: Das meine ich nicht. Ich meine ganz etwas anderes.
A: Was kam nochmal nach 8?
B: 9!
A: (seelenruhig) Es gibt 9 Menschen in diesem Raum.
B: Ist das die Behauptung?
A: Hast du was anderes erwartet?
B: Eigentlich nicht.

(Copyright by Peter Gold)

Seminar: »Theorie der Fotografie«

Mein Seminar zur »Theorie der Fotografie« im Sommersemester 2010 findet ab 12.04.10 montags von 16:00-18:00 Uhr in Raum NG 731 am Campus Westend der Universität Frankfurt statt.

Die Theorie der Fotografie ist ein umstrittenes Thema. Der eigenartige Status fotografischer Bilder stellt nach wie vor ein ungelöstes Problem dar. Seit ihrer Erfindung wurde die Fotografie begleitet von kontrovers geführten Auseinandersetzungen theoretischer Art, nicht unbeeinflußt von Verbesserungen technischer Art, um eine Auf- oder Abwertung der Fotografie insgesamt vorzunehmen, je nachdem wie fotografische Aufnahmen gegenüber anderen Bildern eingestuft wurden. Bis in die Gegenwart ist die Theorie dessen, was Fotografie als solche ausmacht, als Desiderat angesehen worden. Das liegt nicht zuletzt an der Vielschichtigkeit des eigentlichen Problems; involviert ist unter anderem die Semiotik sowie die Ästhetik und nicht zuletzt die Epistemologie, abgesehen von der engen gesellschafts- und medientheoretischen Anbindung. Was zeigen Fotografien und wie zeigen sie es? Es geht vor allem um die Einschätzung ihres Wahrheitsgehalts, verglichen mit der unmittelbaren Wahrnehmung realer optischer Phänomene. Weiter fragt sich, inwieweit die Fotografie ohne konventionelle Dimension auskommt, oder ob irgendwelche arbiträren Zeichensysteme beansprucht werden. Außerdem geht es darum, welcher ästhetische Wert der fotografischen Wiedergabe zugemessen wird, verglichen mit tradierten und seither konkurrierenden Darstellungsweisen in der etablierten Kunst, zu der die Fotografie inzwischen auch zählt. Kommt in der Fotografie beispielsweise so etwas wie Abstraktion vor, ohne daß letztere allein im Auge des jeweiligen Betrachters liegt? In allen Fragestellungen spielt einerseits die Technik der Fotografie eine Schlüsselrolle, andererseits wird die Rolle üblicher Zeichen, deren enge semiotische Bindung an syntaktisch-semantische Kontexte sich nicht ohne weiteres auf Fotografien überträgt, in Frage gestellt. Trotzdem gibt es eine unübersehbare Kontextabhängigkeit. Wie scharf anscheinend zwischen abgebildeter Wirklichkeit und abstrahierender Deutung zu unterscheiden ist, verwischt sich zusehends, wenn visuelle Medien auf genuin fotografische Abbildungen zurückgreifen, um sie nachträglich zu verändern oder zu verfälschen, oder wenn quasi-fotografische Darstellungen generiert werden, um Irreales oder Nichtreales zu illustrieren. Echte Fotografie definiert sich vielleicht anderweitig, etwa wo sie privat kontrollierbar bleibt, ohne stilistisch überformt oder medial überfrachtet zu werden, oder indem sie naturwissenschaftlich eingesetzt und ausgewertet wird, oder überall dort, wo zahllose ungezielte Aufnahmen anfallen, die in vorgegebenen Intervallen abgerufen werden. Selbst wenn unverfälschte Fotografie eine Illusion wäre, würde durch Fälschbarkeit ein Wahrheitsanspruch nur unterstrichen, nicht verworfen. All das bedingt die doppelbödige Authentizität von Fotografie.

Als Literatur zur Einführung in die Problematik bieten sich folgende Titel an:

  • Edwards, Steve: Photography. A Very Short Introduction, Oxford, New York 2006
  • Elkins, James, (ed.): Photography Theory, New York, London 2007
  • Friedrich, Thomas / Schweppenhäuser, Gerhard: Bildsemiotik. Grundlagen und Analysen visueller Kommunikation, Basel, Boston, Berlin 2010
  • Geimer, Peter: Theorie der Fotografie zur Einführung, Hamburg 2009
  • Gold, Peter: „Bild und Negat“, in: Sachs-Hombach, Klaus, (ed.): Bilder im Geiste. Zur kognitiven und erkenntnistheoretischen Funktion piktorialer Repräsentationen, Amsterdam 1995
  • Hockney, David: Secret Knowledge. Rediscovering the Lost Techniques of the Old Masters, New and expanded Edition, London 2006
  • Jäger, Jens: Fotografie und Geschichte, Frankfurt am Main, New York 2009
  • Kemp, Wolfgang / Amelunxen, Hubertus v., (ed.): Theorie der Fotografie, Bd.I-IV, München 1999/2000
  • Shore, Stephen: The Nature of Photographs, London, New York 22007
  • Squiers, Carol, (ed.): Over Exposed. Essays on Contemporary Photography, New York 1999
  • Trachtenberg, Alan, (ed.): Classic Essays on Photography, New Haven 1980
  • Wolf, Herta, (ed.): Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalter. Bd.1: Paradigma Fotografie, Bd.2: Diskurse der Fotografie, Frankfurt am Main 2002/2003

Proseminar: »Logik«

Mein Proseminar zur »Logik« im Sommersemester 2010 findet als Blockveranstaltung vom 15.03.10 – 19.03.10 von 09:00 – 18:00 Uhr in Raum IG 0.454 am Campus Westend der Universität Frankfurt statt.

Kausalität laut Aristoteles’ Physik

Bedenkt man, daß aitia neben ‘Ursache’, ‘Grund’ oder ‘Anlaß’ auch ‘Schuld’ bedeutet (aitios = schuldig, schuld, verantwortlich; der Schuldige, Urheber, Täter), so zielt die Frage nach Kausalität darauf ab, zu erfahren, was an etwas ‘schuld’ ist.

Um die von Aristoteles unterschiedenen ‘Ursachen’, nach denen gefragt werden kann, zu typisieren, ohne sie zu verdinglichen, ist es am besten, die Frage so neutral wie möglich zu formulieren:

Was (alles) ist schuld daran, daß etwas (ein Ding) das ist, was es ist, und daß es so ist, wie es ist?

Wird nach diesem Schema gefragt, wobei das Wort ‘Ursache’ nicht unabsichtlich vermieden wird, werden die Antworten unter vier verschiedenen Aspekten erfolgen, je nachdem, worauf Bezug genommen wird:

  1. causa materialis: das Material, aus dem etwas besteht (woraus ist das Ding gemacht?)
  2. causa formalis: die Form, die etwas aufweist (wie ist das Ding geformt?)
  3. causa efficiens: die Weise, wie etwas entstanden ist (wie ist das Ding zu diesem Ding geworden?)
  4. causa finalis: der Zweck, den etwas erfüllt (wozu ist das Ding gedacht?)

Statt nach einem ‘Ding’ oder einem ‘Gegenstand’ kann auch nach einer ‘Sache’ gefragt werden, oder neutraler nach einer Entität, nach irgendetwas. Eine ‘Ursache’ ist nun nicht ihrerseits eine ‘Sache’ oder ein ‘Ding’ im selben Sinne, sondern sie ist auch nur – irgendetwas.

(Copyright by Peter Gold)